Ein möglichst natürliches Lichtumfeld HCL – Human Centric Lighting in Büro und Werkstatt sowie Zuhause

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31.01.2020 00:27 Uhr

Die meisten Menschen verbringen rund 90 Prozent ihrer Zeit in Räumen. Das aber widerspricht den in Jahrmillionen angeeigneten biologischen Prozessen des menschlichen Körpers. So dient das Auge z. B. nicht nur dem Sehen, es enthält auch Lichtrezeptoren, die wichtige biologische Prozesse in Gang bringen. Der menschliche Organismus benötigt helles Licht mit hohem Blauanteil am Morgen und über den Tag sowie weniger intensives, gelblich-rötliches Licht am Abend. Bei herkömmlicher Beleuchtung ist jedoch die biologische Wirkung am Tag meist zu gering und abends bzw. in der Nacht zu stark.

Wie sehr Licht unser gesamtes biologisches System beeinflusst, ist in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt: Das richtige Licht zur richtigen Zeit hilft uns aber, tagsüber aktiv und leistungsfähig zu sein und nachts Schlaf und Erholung zu finden.

Fehlen die richtigen Lichtreize oder erreichen sie uns zur falschen Zeit, kommt unsere innere Uhr aus dem Takt und mit ihr die Hormonausschüttungen, die unser Körper braucht. Das kann zu Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Depressionen und Schlafstörungen führen. Auch kann es eine Schwächung des Immunsystems und andere Erkrankungen bewirken, weil körpereigene Reparaturmechanismen außer Kraft gesetzt werden. Licht und Aktivität zur falschen Zeit führen langfristig zu einem Phänomen, das „social Jetlag“ genannt wird und mit vielen negativen Begleiterscheinungen wie Übergewicht, Herz-Kreislauf-Problemen, Schlafstörungen und ungesundem Verhalten wie Rauchen oder Alkohol- und Koffeingenuss usw. in Verbindung gebracht wird.

Immer mehr Menschen müssen hohen Anforderungen im Beruf und oft auch im Privatleben gerecht werden und möchten sich dennoch dabei wohlfühlen. Zunehmend mehr Unternehmen und Organisationen sind daher bereit, in die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter als wirtschaftliche Erfolgsfaktoren zu investieren. Hier kann Licht einen wertvollen Beitrag leisten, weil wichtige biologische Prozesse im menschlichen Körper auf ein Leben unter natürlichem Licht ausgerichtet sind. Das richtige Licht zur richtigen Zeit kann viel Positives bewirken – bei allen Altersgruppen und in vielen Lebensbereichen.

Licht bestimmt unser Leben

Erst 2002 wurde entdeckt, dass sich im menschlichen Auge neben Zapfen und Stäbchen, die das Sehen ermöglichen, zusätzliche Lichtrezeptoren befinden. Diese lichtempfindlichen Zellen senden Signale an einen Bereich des Gehirns, der als innere Uhr den Stunden-Rhythmus unseres Körpers reguliert. Außerdem führen von dort aus weitere Nervenbahnen in Gehirnzentren, die unsere geistigen Fähigkeiten steuern. Licht beeinflusst zahlreiche Hormone, die wiederum Einfluss auf Blutdruck, Herzfrequenz, Vitalität, Gedächtnisprozesse und Stimmung haben. Wenn es dunkel wird, sorgt beim Menschen das Schlafhormon Melatonin dafür, dass Körperzellen auf „Nachtbetrieb“ umgeschaltet werden. Dadurch finden wir einen guten und gesunden Schlaf.

Der menschliche Organismus braucht das, was er ursprünglich von der Sonne bekommen hat. Diesen natürlichen Lichtverlauf erhalten viele Menschen zu selten, da sie sich die meiste Zeit in Räumen aufhalten. Dort aber unterstützt das künstliche Licht primär das bessere Sehen, weil es entsprechend gültiger Normen so geplant wird. Dabei hat Licht auch immer eine biologische Wirkung: Bei herkömmlicher Beleuchtung ist diese nicht geplant und daher undefiniert mit möglichen negativen Folgen. Der Volksmund spricht heute noch vom unangenehmen „Neonlicht“ (ein Begriff aus den 70er/80er Jahren), insbesondere bei der Verwendung von Leuchtstofflampen.

Aufgrund fundierter Forschungsergebnisse ist es heute möglich, solche Risiken zu minimieren und Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit zu fördern.

Ein am Menschen orientiertes Lichtkonzept – genannt „Human Centric Lighting“ (HCL) – kann mit intelligent steuerbaren LED-Lichtsystemen die Charakteristik des natürlichen Tageslichts nachempfinden und uns damit etwas zurückgeben, das uns im Innenbereich häufig fehlt. Feldstudien zeigen, dass alle Altersgruppen von HCL-Lösungen profitieren können – von Schülern bis hin zu Senioren. Wissenschaftliche Studienergebnisse für unterschiedliche Anwendungsfelder wurden im Rahmen des 2016 abgeschlossenen EU-Projekts „SSL-erate“ von renommierten Universitäten in Basel, Oxford, Groningen und München gesammelt und ausgewertet. Dass HCL auch einen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen hat, bestätigt eine Studie der internationalen Unternehmensberatung A.T. Kearney, die 2015 vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) und dem europäischen Dachverband LightingEurope veröffentlicht wurde.

Bei Human Centric Lighting (HCL) steht der Mensch bei der künstlichen Beleuchtung im Mittelpunkt. Ziel ist es, ein möglichst natürliches Lichtumfeld zu bieten, das dem Tagesverlauf folgt.

Die Grundprinzipien der HCL-Beleuchtung

Eine klug gesteuerte LED-Beleuchtung kann Menschen auch biologisch wirksam unterstützen. Ähnlich wie angemessene Ernährung und Bewegung hilft das richtige Licht dabei, gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Bei der Planung eines idealen HCL-Konzepts werden daher sowohl die visuellen (besser sehen) als auch die nicht-visuellen biologischen Wirkungen von Licht berücksichtigt. Grundsätzlich gelten die folgenden Kriterien:

  1. Je mehr Tageslicht eingesetzt wird, desto besser. Sowohl energetisch als auch von der Lichtqualität her. Direktes Sonnenlicht und Blendung muss natürlich vermieden werden.
  2. Intelligente HCL-Lösungen sollten sich in Bezug auf Lichtfarben, Helligkeit und räumliche Verteilung des Lichts automatisch am Tagesverlauf orientieren.
  3. Besonders empfänglich für die biologische Lichtwirkung ist der Mensch am Morgen und am Abend. In den ersten Stunden nach dem Aufstehen brauchen wir viel Licht zur Synchronisation der inneren Uhr. Mindestens zwei Stunden vor dem Zubettgehen sollte helles Licht mit biologisch wirksamen blauen Spektralanteilen vermieden werden. Über den Tag brauchen wir helles Licht zur Aktivierung und Verbesserung der Konzentration und Leistungsfähigkeit.
  4. Biologisch am stärksten aktivierend wirkt großflächiges Licht von oben, das den von der Sonne erhellten Himmel imitiert. Zum Start in den Tag bis zur Mittagszeit sowie nach der Mittagspause sollte daher helles, kaltweißes Licht mit hohem Blauanteil (z. B. 6500 Kelvin bei einer Beleuchtungsstärke von 300 Lux am Auge) verwendet werden. Hierfür bietet sich indirektes Licht an, das sowohl Decken als auch Wände mit einbezieht.
  5. Zum Abend hin gilt es auf warmweißes, direktes Licht ohne Blauanteile (z. B. 2700 bis 3000 Kelvin) umzustellen, das unserem Körper dabei hilft, sich zu entspannen und auf die Nacht vorzubereiten.

Anforderungen für Industrie- und Büroarbeitsplätze

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Eine Beleuchtungsanlage für die Industrie wie auch im Büro muss verschiedene Normen und Richtlinien erfüllen, insbesondere die Anforderungen des Arbeitsschutzes. Zentral ist unter anderem ein weitgehend blendfreies Licht bei der Bildschirmarbeit notwendig. Für Büroanwendungen ist z. B. eine Entblendung vorgeschrieben. Ebenso wichtig sind eine gleichmäßige Lichtverteilung und eine ausreichende Beleuchtungsstärke. Stand heute sind Beleuchtungslösungen im Arbeitsbereich unabhängig vom Tätigkeitsfeld noch fast ausschließlich darauf ausgerichtet, gutes Sehen zu ermöglichen.

Die biologische Lichtwirkung wird nur selten berücksichtigt. Auch heute noch enthält beispielsweise die technische Regel für Arbeitsstätten nur die Forderung nach gewissen Mindestbeleuchtungsstärken und einem Mindestanspruch an Lichtqualität – ohne jede Vorgaben für die Tages- und Nachtzeit oder biologisch wirksames Licht. Bestehende Lichtanlagen reichen tagsüber nicht für eine optimale Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aus und strahlen häufig in puncto Helligkeit und Blauanteilen zu intensiv für Abend- oder Nachtarbeiten. In einer aktuellen Veröffentlichung hat der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (BAuA) eine Empfehlung herausgegeben, in der Nacht keine Lichtquellen mit Farbtemperaturen über 4100 K einzusetzen. Ein erster Schritt, biologisch störendes Licht am Abend zu reduzieren.

Ziel der Beleuchtung am Arbeitsplatz ist es, den Anwesenden ein möglichst natürliches Lichtumfeld zur Verfügung zu stellen, das dem natürlichen Tageslichtverlauf folgt. Hierfür empfiehlt sich eine automatische Steuerung der großflächigen Raumbeleuchtung, die während des Vor- und Nachmittags über Decken und Wände indirektes und helles Licht mit hohem Blauanteil erzeugt und so aktivierend wirkt. Die Leuchten, die direkt auf den Arbeitsplatz strahlen, wie eine Schreibtischleuchte, sollte dagegen in der Helligkeit auch vom einzelnen Mitarbeiter individuell gesteuert werden können. Idealerweise folgt auch hier die Farbtemperatur dem natürlichen Tageslichtverlauf, um auch abends oder nachts keine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus zu bewirken. Denn zu dieser Zeit sind Menschen besonders empfindlich für die nicht-visuelle Wirkung von Licht.

Arbeitsräume, Tätigkeitsprofile und Blickrichtungen

In Produktionshallen beispielsweise haben die meisten Mitarbeiter einen räumlich definierten Arbeitsplatz, an dem sie sich viel bewegen und häufig wechselnde Blickrichtungen haben. Das individuelle Licht am Arbeitsplatz dient primär dazu, die Aufgabe visuell bestmöglich zu unterstützen. Gegebenenfalls sind abhängig von der Tätigkeit höchst unterschiedliche Beleuchtungsstärken nötig. Für die biologische Lichtwirkung hingegen ist eine HCL-Grundbeleuchtung für die gesamte Werkshalle gefragt. Weil es hier darauf ankommt, welches Licht im menschlichen Auge ankommt, muss das HCL-Konzept einen gleichmäßigen Lichteinfall aus unterschiedlichen Richtungen ermöglichen, um den häufig wechselnden Blickrichtungen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Dafür ist u. a. die sogenannte zylindrische Beleuchtungsstärke maßgeblich, also das Licht, das aus unterschiedlichen Richtungen messbar ins Auge des Nutzers fällt.

Gerade in Werkshallen besteht die Herausforderung darin, dass meist keine homogenen, großflächig helle Flächen wie Decken oder Wände vorhanden sind, die für indirektes Licht benötigt werden, damit es über Reflexion möglichst von oben ins Auge des Nutzers fällt – wie das natürliche Tageslicht. Aus diesem Grund sollte bei der farblichen Gestaltung der Oberflächen alles getan werden, was möglich ist. Als reflektierende Flächen können beispielsweise auch Maschinen genutzt werden. Wenn das nicht ausreicht, können im Raum zusätzliche helle Flächen angebracht werden oder HCL-Leuchten mit speziellen segelartigen Reflektoren. Auch großflächige Lichtquellen können eine Lösung sein.

Einfacher ist die Lichtplanung in Büros, wo in der Regel mehrere Mitarbeiter am Schreibtisch sitzen und eine ähnliche Blickrichtung haben, sodass bei der Lichtverteilung die Längsrichtung wichtiger ist als die Querrichtung.

Licht mit biologischer Wirkung auf den Menschen

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Beleuchtungslösungen mit biologischer Wirkung helfen den Mitarbeitern am Arbeitsplatz, dass sie wach und dauerhaft aufmerksam sind. Hinzukommen die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, Vitalität, Stimmung, der Schlaf-Wach-Rhythmus sowie die allgemeine Gesundheit, die durch eine HCL-Beleuchtung positiv beeinflusst werden können. Auch wenn die Messbarkeit einer Produktivität im Büro schwieriger ist als in der industriellen Fertigung, so sind positive Wirkungen von HCL nachweisbar. Aktuelle Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrer eigenen Leistung und mit der geleisteten Qualität steigt.

Studien belegen ebenso, dass durch HCL selbst am Ende des Tages eine Produktivitätssteigerung nachgewiesen werden kann: denn die Arbeit fällt den Beschäftigten leichter. Grund dafür ist, dass die geistige Anstrengung für konzentriertes Arbeiten zurückgeht und die Leistungsfähigkeit langfristig erhalten bleibt. Eine Studie von A. T. Kearney zu unterschiedlichen Szenarien in der Industrie und in Büros beziffert mögliche betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Vorteile: Steigerung der Produktivität, sinkende Fehlerraten und nicht zu unterschätzen: weniger Krankheitstage. So ergeben sich viele gute Gründe, in ein HCL-Konzept zu investieren. Schließlich spart man mit der LED auch Energie im Vergleich zu konventionellen Beleuchtungssystemen.

 

Fazit

Noch ist Human Centric Lighting nicht so breit im Markt angekommen, wie man es angesichts der vielen Vorteile, die es bietet vielleicht erwartet hätte. Das liegt einerseits an dem langwierigen Prozess bis zum realisierten Projekt. Andererseits steht der Begeisterung von Forschern und Herstellern nach wie vor Skepsis und z. T. auch Unwissenheit gegenüber, etwa bei Experten für Arbeitsschutz oder Gewerkschaftlern.

Normative und gesetzliche Vorschriften zu biologisch wirksamem Licht, die sowohl den Planern und Anwendern Sicherheit geben als auch der Elektrobranche einen Auftragssegen bescheren würden, sind in der Erarbeitung, liegen aber noch in gewisser Ferne: Zu unklar sei die Erkenntnislage zu den langfristigen Auswirkungen biologisch wirksamer Beleuchtung, stellte z. B. die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) fest. Nach DIN SPEC 5031-100 und DIN SPEC 67600 kann Licht im Hinblick auf seine biologischen Wirkungen bewertet und geplant werden. In diesem Spannungsfeld hat auch licht.de mit dem Heft Licht.wissen 21 (Leitfaden Human Centric Lighting) eine praxisnahe Anleitung zum Umgang mit diesem vielversprechenden Thema veröffentlicht.

Vor Lichtplanern und Elektro-Profis liegt also eine große Palette neuartiger Werkzeuge für smarte Beleuchtung ausgebreitet, bei deren Anwendung der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind. Die Frage ist weniger „Was geht?“ als vielmehr „Was wollen die Kunden?“.