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Ladeinfrastruktur bei bestehenden Netzanschluss-Kapazitäten integrieren

Skalierungsstrategien für Ladepunkte für eine zukunftsfähige Netzintegration

Elektromobilität
16.08.2024

Die Nachfrage nach Ladepunkten steigt, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Diese Entwicklung wirft jedoch technische Herausforderungen auf, insbesondere im Zusammenhang mit der Skalierung von Ladepunkten an vorhandenen Netzanschlüssen in Mehrparteiengebäuden, wie Mehrfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien, aber auch in Hotels mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge.

Inhaltsverzeichnis und Quicklinks

Denn klassische Netzanschlüsse sind häufig nicht für eine große Anzahl von Ladepunkten ausgelegt. Lastspitzen können zu möglichen Ausfällen oder Instabilität führen, oder zu unnötig teuren Stromverträgen aufgrund der verrechneten Maximalleistung. Abhilfe schafft ein Last­management.

Beschränkte Netzanschlusskapazität und die Herausforderung vieler Ladepunkte

Die Kapazität von Netzanschlüssen wird traditionell basierend auf dem durchschnittlichen Energieverbrauch und der erwarteten Belastung berechnet. Elektrofahrzeuge stellen jedoch eine zusätzliche und potenziell beträchtliche Last dar, die das Netz überlasten kann, insbesondere wenn mehrere Fahrzeuge gleichzeitig laden. Dies liegt daran, dass die meisten vorhandenen Netzanschlüsse nicht für die gleichzeitige Ladung einer großen Anzahl von Fahrzeugen ausgelegt sind.

Die Überlastung von Netzanschlüssen durch Elektrofahrzeuge kann zu Spannungsabfällen, erhöhten Strombelastungen und thermischen Überlastungen führen. Diese beeinträchtigen die Stabilität des Stromnetzes und führen im schlimmsten Fall zu Ausfällen.

Die Bedeutung von Lastspitzen im Stromnetz

Lastspitzen treten auf, wenn der Energiebedarf eines Systems kurzzeitig über das normale Niveau hinaus ansteigt. Im Falle von Elektrofahrzeugen kann es zu diesen hohen Belastungsphasen kommen, wenn mehrere Fahrzeuge gleichzeitig an Ladepunkten angeschlossen werden, insbesondere zu Stoßzeiten wie morgens und abends. Dies stellt die Betreiber von Mehrparteiengebäuden vor Herausforderungen. Denn Lastspitzen können die Gefahr von Netzinstabilitäten erhöhen, indem sie zu Spannungsschwankungen, erhöhten harmonischen Verzerrungen und einer ungleichmäßigen Verteilung der Lasten führen. Somit stellen Phasen von Spitzenenergiebedarf mehrere technische Probleme dar, darunter:

  • Überlastung des Stromnetzes: Wenn die Nachfrage nach Strom die Kapazität des Netzanschlusses übersteigt, kann dies zu einem Zusammenbruch des Stromnetzes führen.
  • Erhöhte Betriebskosten: Netzbetreiber müssen zusätzliche Investitionen in die Netzinfrastruktur tätigen, um Lastspitzen zu bewältigen.
  • Beeinträchtigung der Netzstabilität: Sehr hohe Belastungsphasen können zu Spannungsschwankungen und Frequenzproblemen führen, die die Stabilität des Stromnetzes gefährden.
  • Bild 2: Das Lastmanagementsystem »Smartcharge« ist ein vollständiges Installationspaket aus Hardware-Komponenten und einer Cloud-basierten Software-Oberfläche © Weidmüller

Eine erhöhte Belastung kann zu einem Anstieg des Widerstands und der Verlustleistung in den Leitungen führen, was sich negativ auf die Effizienz auswirkt und die Lebensdauer der elektrischen Ausrüstung verkürzt.

Nicht zuletzt spielt der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle: Gewerbeimmobilien haben meist einen Stromvertrag, der sich am Spitzenverbrauch bemisst. Sehr hohe Lastspitzen resultieren in einem teuren Vertrag. Auch deshalb ist es von großem Vorteil, den gleichzeitigen Verbrauch zu begrenzen.

Lastmanagement zur Vermeidung von Lastspitzen

Um diesen technischen Herausforderungen zu begegnen und einen kostenintensiven Netzausbau zu vermeiden, empfiehlt es sich, Lastmanagement zu integrieren.  Ein Lastmanagement trägt wesentlich zur Effizienzsteigerung von Ladeinfrastruktur bei. Es ermöglicht die bestmögliche Verteilung der verfügbaren Netzkapazität auf die Ladepunkte und verhindert dadurch Überlastungen und Netzinstabilitäten (Bild 1). Einige technische Aspekte des Lastmanagements:

  • Ladeleistungsregelung: Durch die dynamische Steuerung der Ladeleistung jedes einzelnen Ladepunktes in Echtzeit kann das Lastmanagement die Gesamtlast innerhalb der Netzkapazität halten. Dies wird oft durch Kommunikation zwischen den Ladestationen und einem zentralen Steuerungssystem erreicht, das die Ladeleistung entsprechend den aktuellen Netzbedingungen anpasst.
  • Priorisierung von Ladevorgängen: Das Lastmanagement kann bestimmte Ladevorgänge priorisieren, basierend auf verschiedenen Kriterien wie dem Zeitplan des Fahrers oder den Netzbedingungen. Dies ermöglicht eine effiziente Nutzung der begrenzten Netzressourcen und eine strategisch gesteuerte Verteilung der Ladekapazität.
  • Lastausgleich und Lastverschiebung: Durch den gezielten Ausgleich der Lasten zwischen verschiedenen Ladepunkten und die zeitliche Verschiebung von Ladevorgängen kann das Lastmanagement dazu beitragen, Lastspitzen zu reduzieren und die Netzstabilität zu verbessern. 
  • Bild 3: Ladeprozesse für Gäste können per Dashboard vom Empfang aus freigegeben werden© Weidmüller
  • Bild 4: Dank des Installationsassistenten erfordert die Einrichtung keine Programmierkenntnisse © Weidmüller

Für gewerbliche Gebäude und Mehrfamilienhäuser

Eine Lösung für das Lastmanagement bietet zum Beispiel Weidmüller mit dem System »Smartcharge« an, bestehend aus Hardware und Software (Bild 2). Es ermöglicht ein Lastmanagement für bis zu 50 Ladestationen der Wallbox-Familie »AC Smart« und berücksichtigt dabei automatisch auch alle sonstigen Verbraucher in der elektrischen Anlage. Eine Einbindung von Wallboxen von Drittherstellern ist aktuell nicht möglich. Die Lösung funktioniert bei Bedarf auch ohne Internet, also im Offline-Modus.

Die Monitoring- und Visualisierungstools ermöglichen sowohl Betreibern als auch ­Installateuren die einfache Einrichtung und Steuerung der Ladeinfrastruktur. Eine Web­oberfläche bietet über eine Cloud-Anbindung die Option zur Fernsteuerung.

Ladepunkte bedarfsgerecht steuern

Mit »Smartcharge« lassen sich Ladepunkte gezielt steuern. So kann man beispielsweise bei Unternehmen oder in der Hotellerie zwischen Gäste- oder Mitarbeiterparkplätzen unterscheiden, indem man einzelnen RFID-Tags oder MAC-Adressen bestimmte Ladestationen zuweist. Ebenso lassen sich einzelne Ladestationen unterschiedlich hoch priorisieren. Dabei überschreiben die Einstellungen der Nutzer immer die der Ladesäule. So kann beispielsweise Gästeparkplätzen bei der Verteilung des Ladestroms gezielt mehr Strom zugewiesen werden. Dabei gibt die ID des E-Fahrzeugs dessen Priorität vor, ganz gleich, an welchem Ladepunkt es geladen werden soll. Über die Fernsteuerung von ­Ladepunkten via Dashboard können Ladeprozesse für Gäste zentral freigegeben werden, z. B. beim Empfang (Bild 3). 

Verschiedene Standorte lassen sich dabei von einem zentralen System aus verwalten – sinnvoll für Unternehmen oder Organisationen, die mehrere Immobilien an unterschiedlichen Standorten haben. Nutzer können die Ladedaten aller Standorte exportieren und beispielsweise für die manuelle Abrechnung von Nebenkosten verwenden.

Das Lastmanagementsystem kann mit erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik kombiniert werden, bei der Einrichtung unterstützt ein Installationsassistent (Bild 4). Ladestrategien zur bevorzugten Nutzung von PV-Strom tragen dazu bei, die Kosten pro geladener kWh zu reduzieren.

Für eine automatisierte Abrechnung von Ladeprozessen gibt es die Wallboxen der ­Serie »AC Smart«. Sie ermöglicht die Anbindung an ein Backend-System über das Protokoll OCPP. Die Funktionalität zur automatisierten Abrechnung bleibt bei »AC Smart« erhalten, auch wenn die Steuerung über »Smartcharge« erfolgt. Zur Autorisierung von Ladeprozessen kann das System neben lokal gespeicherten RFID-Tags auch Ladekarten von externen Anbietern auslesen.

Für Schnellleser

Die Integration von Ladepunkten an bestehenden Netzanschlüssen erfordert in vielen Fällen ein Lastmanagement

So lässt sich die vorhandene  Anschlussleistung bestmöglich ausnutzen, inkl. Integration von erneuerbaren Energien

QUELLE:

de – das elektrohandwerk

Autor:

Dominik Sosna, Produktmanager E-Mobility bei Weidmüller, Detmold